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Seite zuletzt aktualisiert: Dienstag, den 28.06.2022
Theater ohne Worte
Achtung :Dieser Text wird zwar auf der Internetpräsenz des Theater Traumbaum veröffentlich,
die geistige Urheberhaft und Haftung liegt aber alleinig bei Ralf Lambrecht.
Im Text geäußerte Meinungen und Haltungen entsprechen nicht denen des
Theater Traumbaums, sondern alleinig denen Ralf Lambrechts.
Der mehrfache corona bedingte Kulturlockdown hat nicht nur
für viele Freie Kulturakteur*innen akute existenzielle Folgen,
er bot auch durch Stipendienformate die Gelegenheit,
sich grundsätzlich damit auseinanderzusetzen, was und warum frau/man
da eigentlich so als Kulturakteur*in seit Jahren so tut
und wie frau/man es in Zukunft "besser", oder sagen wir mal adäquater tun könnte.
Nebenbei, ich würde mir wünschen, dass Claudia Roth auch ein Stipendium bekommt,
um mal drei Monate in Ruhe und vor allem bei den Akteur*innen vor Ort
zu recherchieren, wie eine adäquate, nicht Leuchttum orientierte,
bürokratisch akzeptable
Bundes Förderung der Freien Kultur
aussehen könnte und müßte.
Erfreulicherweise habe ich* im Rahmen des Förderprogrammes
" Auf geht´s!" das Stipendienprogramm für freischaffende Künstlerinnen und Künstler
von den vom Mysterium für Kultur und
Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen
aus Bundesmitteln bereitgestellten 90.000.000 Euro ein Recherchestipendium
in Höhe von 3.000.- € für das Recherche-Projekt:
" Theater ohne Worte" zu bekommen.
Ziel des Recherche-Projektes war es, in Feedbacks
mit Kindern- und Jugendlichen festzustellen, ob es möglich und sinnvoll ist,
eine Kinder- & Jugendtheaterproduktion zu realisieren,
die sich jenseits der Pantomime einer Sprache bedient, die ohne Worte auskommt
und trotzdem allen, egal mit welcher Sprachfähigkeit und aus welchem Sprachraum
Inhalte vermitteln kann.
Jetzt wird sich Jede/r fragen, was soll das?
Theater setzt immer Literatur und die geballte Macht des gesprochenen Wortes voraus.
Vor allem in Schland, dem Land der Dichter und Denker,
in dem ohne Goethe, Schiller und Kant gar nichts geht.
Nu!?
Kinder- und Jugendtheater hat im Gegensatz zum Erwachsenentheater
gesellschaftlich große inklusive und integrative Qualitäten und Potenziale.
Es bleibt aber immer die Sprachbarriere.
Mein Ziel im Rahmen dieses
Recherchestipendiums war es,
heraus zu bekommen, ob die nicht universell zu knacken ist.
Nun bin ich kein*e Theatertheoretiker*in oder Theaterwissenschaftler*in
im akademischen Sinne, nicht mal h.c., humoris causa.
Um ehrlich zu sein, die ganzen wie Pilze aus dem Boden schießende
theaterwissenschaftlichen Studiengänge sind für mich nur
Stilblüten eines von der EU verordneten wissenschaftlichen Neoliberalismus,
der Universitäten in unterbezahlte akademische Amazon Filialen verwandelt.
Für mich mit meinen über dreißig Jahren praktischer Berufserfahrung
in der Sparte Kinder- & Jugendtheater ist und bleibt Theater
schlicht und einfach ein Lebensmittel.
Nicht in dem Sinne, dass ich mir damit die vegane Butter auf dem Brot verdiene,
sondern in dem Sinne, dass jede/r Mensch*in Theater kann und braucht,
weil es eine grundlegende neurologisch angelegte
menschluche
Kommunikationsform ist,
mit der wir alle unsere Gabe der Virtualität jenseits des Internets
ausleben und ausüben können.
Mit dem Medium Theater, bzw. Schauspiel, sind wir alle in der Lage,
die Welt, unsere Lebensbedingungen auf ihr und unsere Beziehungen untereinander
empathisch zu reflektieren
und darüberhinaus komplexe virtuelle Entwürfe einer menschlichen,
im Sinne von ökoligisch und gerechten Welt, zu erschaffen.
Und damit wären wir dann doch ganz akademisch und theoretisch bei
Antonio Gramsci und seinen Gefängnisheften,
bzw. der Kulturelle Hegemonie.
Theater ist nicht nur die hochgeschätzte bildungsbürgerliche Kunsttform
des Sehen und Gesehenwerdens.
Theater ist das gesellschaftliche Werkzeug,
mit dem frau*man nicht nur im Sinne Gramci´s
zustimmungsfähige
sondern real adäquate
Ideen vom menschlichen Zusammeleben
haptisch dreidimensional und emotional entwickeln kann.
Im Sinne der Kulturellen Hegemonie
kann Theater das Medium sein,
jeder und jedem eine Stimme zu geben,
egal wo sie/er lebt, egal was ihr/sein wirtschaftlicher Status ist.
Theater kann sogar denen eine Stimme verleihen,
die nicht gehört werden oder keine Stimme haben.
Es ist in der Lage, die
kulturelle Hegemonie auszuhebeln
und kulturelle Egaliät zu schaffen.
Und damit wären wir dann mitten in meinen Recherche-Projekt:
"Theater ohne Worte".
Gut, ich gebe es zu, ich habe zu Beginn auch ein "bißchen" theoretisch recherchiert
und mir neben Gramscis Gefängnishefte auch noch Peter Brooks
"Der Leere Raum" und "Theater als Reise zum Menschen",
Yoshi Oidas "Die Tricks eines Schaupielers" und "Der unsichtbare Schauspieler"
und Dario Fo´s"Kleines Handbuch des Schauspielers"
nach vielen Jahren noch mal zu Gemüte geführt.
Auf Grundlage der Excerpte aus diesem Konvolut
habe ich dann im Rahmen unserer
theaterpädagogischen Workshops mit Kindern und Jugendlichen unterschiedlicher Altersgruppen
in verschiedenen Kontexten verschiedene Übungen und Improvisationen
als praktische "Feldstudie" durchgeführt.
Und das Ergebnis ist:
es ist nicht nur möglich, sondern hochgradig sinnvoll,
in der Sparte Kinder- & Jugendtheaterproduktion
ohne Sprache zu arbeiten, allerdings nicht in der Form der klassichen Pantomime.
Kinder- & Jugendtheater darf nicht stumm oder lautlos sein!
Es braucht entweder eine Musik, sei sie auch nur minimalistisch,
die unter der Szene liegt und eine akustischen Grundatmosphäre schafft.
Oder es braucht eine universelle von allen verstandene Sprache.
Damit ist aber nicht Englisch oder Esperanto gemeint,
sondern "GlubbiBulgar".
GlubbiBulgar ist eine Jahrhunderte alte Theatertechnik,
die heute auch immer noch von Clowns angewandt wird.
Frau/man denkt einen Satz mit Bedeutung und Inhalt in ihrer/seiner Muttersprache,
spricht ihn dann aber in einer abssoluten Non-Sense Sprache aus.
Also, frau/man denkt: "Für Schokolade würde ich sterben!",
sagt aber: "Disch Pockili da mei wuschka!" .
Gut, ich würde jetzt nicht in die Apotheke gehen
und mir eine Medizin nach einer Zutatenliste auf Glubbibulgar anrühren lassen,
aber eine Bundestagsdebatte auf Glubbibulgar wäre der Meilenstein
der parlamentarischen Demokratie.
Für Erwachsene hört sich das unheimlich kompliziert an,
weil unsere Kommunikation durch unsere schulische Laufbahn
kulturell hegemonial kolonisiert ist.
Für Kinder und Jugendliche ist es relativ einfach zu sprechen und zu verstehen,
weil ihnen noch sehr bewusst ist,
dass es bei Sprache nicht nur um Wortbedeutungen
sondern vor allem um Gefühl und Intention geht.
Und, sie können in
"GlubbiBulgar" komplette Monologe, Dialoge und sogar Chorszenen
sprechen, spielen und verstehen. Sogar wenn es um komplexe Inhalte,
wie z.B. einen Mobbingvorfall in der Klasse, geht.
Neben der Technik "Glubbibulgar" sind zwei wichtige Techniken des Theaters ohne Worte,
sowohl rezeptiv als partizipativ,
1. das Raumbewusstsein der Akteur*innen.
Wo stehe ich auf der Spielfläche
im Zusammenhang zu den Zuschauer*innen
und im Zusammenhang zu den anderen Mitspieler*innen.
Mit welchem Tempo und welchem Gefühl bewege ich mich.
2. Körpersprache: hierbei ist es wichtig, sich nicht in das Korsett der gestischen Konventionen
zwängen zu lassen, sondern das bewusste Risiko einzugehen,
seinen Gedanken und Gefühlen einen freien expressiven aber nicht übertriebenen
Ausdruck zu verleihen.
Fazit:
Es ist nicht nur möglich, Kinder- & Jugendtheaterproduktion ohne ein Wort zu realisieren,
es ist auch sinnvoll, um denen einen Zugang zum gesellschaftlichen Diskurs zu geben,
die die Sprache nicht verstehen würden oder die keine Stimme haben.
Achtung :Dieser Text wird zwar auf der Internetpräsenz des Theater Traumbaum veröffentlich,
die geistige Urheberhaft und Haftung liegt aber alleinig bei Ralf Lambrecht.
Im Text geäußerte Meinungen und Haltungen entsprechen nicht denen des
Theater Traumbaums, sondern alleinig denen Ralf Lambrechts.
Verantworrtlich im Sinne des Presserechtes: Ralf Lambrecht Bochum, den 28.06.2022
Das Recherche Stipendium Ralf Lambrecht "Theater ohne Wort"
wurde freundlicherweise gefördert durch: